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… und die Reise geht weiter.

Stefan Pierer über seine Strategien und Visionen von Husqvarna und KTM

Quelle:spiegel online sport

KTM Freeride E-XCAb aufs Land

E-Mobile sind nur was für die Stadt? Europas größter Motorradhersteller sieht das anders. Mit der elektrischen Freeride E-XC geht KTM ins Gelände – und ändert komplett die Unternehmensstrategie.

KTM

Es kommt nicht so häufig vor, dass ein Motorradhersteller einen Flugzeughangar anmietet, um die aktualisierte Version eines Modells vorzustellen. Bei der Präsentation der KTM Freeride E-XC ging es deshalb auch um mehr. Europas größter Motorradhersteller präsentierte am Airport in Salzburg die Zukunftspläne im Bereich E-Mobilität und schickte den Firmenchef Stefan Pierer persönlich auf die Bühne. KTM gilt – wie sonst vielleicht noch BMW – als Trendbarometer der Branche.

“Dass das Segment Elektroantrieb in Zukunft immer wichtiger werden wird, versteht sich inzwischen von selbst”, sagte Stefan Pierer, Chef von KTM. “Die Frage ist doch: Was fällt uns dazu ein?” Eine Antwort sei, so Pierer, die runderneuerte Freeride E-XC mit wahlweise drei Fahrmodi für den Geländeeinsatz. Die Kapazität des neuen Akkupakets wurde um rund 50 Prozent gesteigert, sodass eine Ladung nun für bis zu 90 Minuten reichen soll. Der Elektromotor mit 18 kW und 24 PS Spitzenleistung sitzt jetzt in einem überarbeiteten Verbundrahmen mit verbesserter Stabilität.

  • Leasing statt Kauf: Wichtigste Neuerung allerdings: Die 2018er Freeride E-XC ist das erste Elektrofahrzeug des europäischen Marktführers, bei dem der Akku und das Ladegerät nicht mehr zwangsweise gekauft werden muss. Beides kann für 49 Euro im Monat vier Jahre lang geleast werden; das macht bei einem Preis von 7695 Euro die Anschaffung der E-CX anstelle eines vergleichbar teuren Verbrenners attraktiv.
  • KTM verabschiedet sich aus dem Geschäft mit dem urbanen Nahverkehr: Gleichwohl haben Pierer und Vorstandskollegen nach den enttäuschenden Verkaufszahlen einer elektrischen Freeride-Straßenversion entschieden, sich mit KTM aus dem wachsenden urbanen Nahverkehr mit Motorrädern und Rollern zu verabschieden. Die bisherige Freeride E-SM wurde gerade aus dem Programm genommen. Denn insgesamt hat KTM von seinen Freeride-Elektromotorrädern seit 2014 nur magere 3.500 Fahrzeuge verkauft.

Mit dem Ausstieg gibt KTM, der größte europäische Motorradbauer, ein gewichtiges Signal ab: Außer dem BMW-Konzern, der mit einem exklusiven Elektroroller auf das zahlungskräftige Publikum zielt, ist damit zurzeit kein namhafter Großhersteller elektrisch auf der Straße unterwegs. Die Branche scheint nicht an einen schnellen Paradigmenwechsel zu glauben. Pierer ließ aber offen, ob möglicherweise Husqvarna, die zweite Marke unter dem KTM-Dach, in diesen Markt stößt. Husqvarna ist ohnehin mehr auf Design und urbanen Lifestyle getrimmt. Die nötige Technologie hat die gemeinsame Entwicklungsabteilung am Standort Mattighofen parat.

“Wir sollten uns da nichts vormachen,” sagte Stefan Pierer im direkten Gespräch erstaunlich offen, “und alles für bare Münze nehmen, was in Wahlkampfzeiten erzählt wird.” Pierer glaubt nicht, dass der Verbrennungsmotor so schnell wie zurzeit prognostiziert ausgedient habe. Und der E-Motor werde im Motorradbereich auch kein alternativer Antrieb für High-Performance-Sportmaschinen und Langstrecken-Fahrzeuge werden. Die reinen Zahlen geben Pierer zurzeit noch recht: Im ersten Halbjahr 2017 etwa wurden europaweit nur rund 13.000 E-Roller und E-Motorräder in der EU verkauft – gegenüber knapp 700.000 mit Verbrennungsmotor.

  • KTM investiert in E-Motorräder im sportlichen Offroad-Segment: Es gäbe aber große Chancen in den nächsten Jahren im sportlichen Offroad-Sektor, so Pierer, und dort in dem heutigen Segment zwischen 50 und 125 Kubik. Da kämen deshalb ab 2019 von KTM neue Modelle, angefangen mit zusätzlichen elektrischen Kids-Motorrädern wie dem E-SX-Mini. In diesen Bereich und Markt werde KTM weiter massiv investieren.
  • Neue Partnerschaft für E-Fahrräder: Um die diagnostizierte Wachstumsnische zwischen 250 Watt bis 11 kW dennoch zu besetzen, hat sich Pierer bereits vor Monaten mit der Fahrradexpertin Susanne Puello zusammengetan und die gemeinsame Pexco GmbH für “Next Level eMobility” gegründet. “Man muss nicht immer das Rad selbst erfinden”, sagte Pierer, “sondern kann sich das Know-how auch gezielt ins Haus holen.” Pexco, das für “Puello eMobility Crossover Company” steht, soll auf dem noch boomenden Pedelec-Markt zügig Fuß fassen und hat inzwischen drei Marken im Portfolio: Mit Raymon-Zweirädern will man die preisbewussten Kunden ködern, Husqvarna Bicycles soll ein Hightech- und Design-orientiertes Klientel ansprechen. Und R2R Ready to Race versteht sich, so die Definition aus dem KTM-Hauptquartier in Mattighofen, als der technologische Marktführer und Vertreter von radikaler Performance. Allen drei Marken ist gemein: Sie setzen voll auf Elektroantrieb, das traditionelle Fahrradgeschäft soll mittelfristig keine Rolle im Portfolio spielen. Die Präsentation der ersten Raymon- und Husqvarna-Modelle ist für Anfang 2018 geplant; R2R soll im Sommer zur Messe Eurobike folgen.